80 JAHRE KRIEGSENDE. Eine Ausstellung des Kulturamts der Stadt Fulda und des Vonderau Museums. Eintritt frei.
8. Mai 1945
Kriegsende, Befreiung, Neuanfang
Am 8. Mai 1945 endete in Europa der Zweite Weltkrieg mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht. Die vom nationalsozialistischen Deutschland und seiner verbrecherischen Regierung mit dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 ausgelöste Katastrophe forderte nach vorsichtigen Schätzungen 60 bis 65 Millionen Opfer. Etwa sechs Millionen Juden wurden im Holocaust ermordet.
Die militärische Niederlage befreite Deutschland durch die Alliierten vom Faschismus und gab die Chance zum Neubeginn. Dieser entwickelte sich allerdings schon bald in den drei westlichen Besatzungszonen anders als in der sowjetischen Zone.
Die Ausstellung widmet sich dem lokalen Aspekt des Kriegsendes sowie den Weichenstellungen des Neuanfangs in Fulda von Ostern 1945 bis zur Wahl einer demokratisch gebildeten Stadtverordnetenversammlung im Mai 1946.
Hugo Sallmann, einer der ersten Verkehrspolizisten nach dem Krieg, regelt 1945/46 den Verkehr an der Kreuzung Leipzigerstraße / Kurfürstenstraße.
Fulda im Bombenkrieg
Bei fast 60 Angriffen auf Fulda und die Umgebung kamen etwa 1.600 Menschen ums Leben. Hauptziel waren die Bahnanlagen und die Gummiwerke. Am 27. Dezember 1944 fanden 707 Menschen im Krätzbachtunnel den Tod. In keiner anderen deutschen Luftschutzeinrichtung gab es an einem einzigen Tag so viele Opfer. Insgesamt hatte Fulda in Relation zur Einwohnerzahl so viele Kriegstote durch Bombenangriffe zu beklagen wie kaum eine andere deutsche Stadt.
Am 11. und 12. September 1944 wurden die Gebäude am Gemüsemarkt vollständig zerstört. Allein an diesen beiden Tagen starben mehr als 500 Menschen in Fulda infolge der Bombenangriffe.
Ostern 1945 – Kriegsende in Fulda
Fulda wurde bereits an Ostern 1945 besetzt. Am 2. April erschienen amerikanische Soldaten vor der Hauptwache, dem Gefechtsstand des Fuldaer Kampfkommandanten Hoffmann, der gefangen genommen wurde. Im Süden Fuldas gab es noch vereinzelt deutschen Widerstand. Nicht zuletzt durch den Einsatz des Oberbürgermeisters Dr. Franz Danzebrink konnte eine kampflose Übergabe erreicht werden. Führende Nationalsozialisten wie der Bürgermeister Karl Ehser ergriffen die Flucht.
Anrückende Soldaten der US-Armee an Ostern 1945 in der Hinterburg.
US-Amerikanische Besatzung
General Dwight D. Eisenhower erließ im März 1945 als oberster Befehlshaber die Proklamation Nr. 1 an das deutsche Volk. Ziel der Alliierten war es, den Nationalsozialismus und den deutschen Militarismus zu vernichten.
Der Blick auf Fulda zeigt die Umsetzung des Programms auf örtlicher Ebene. Die Fuldaer Militärregierung hatte ab Juni 1945 in Major Charles Russe einen resoluten Leiter, der von Anfang an mit harter Hand die Geschäfte führte.
Im »Fuldaer Mitteilungsblatt« vom 26. April 1945 wird die »Proklamation Nr. 1« verkündet.
Trümmerräumung und Wohnungsnot
Fulda hatte durch die Bombenangriffe keinen Totalverlust seines Gebäudebestandes zu beklagen. Dennoch waren die Probleme der ersten Wiederaufbauphase enorm. Etwas mehr als die Hälfte der Häuser war beschädigt. Auch öffentliche Gebäude wie das Stadtschloss, der Dom und die Michaelskirche waren schwer getroffen worden. Das drängendste Problem von Beginn an war die Wohnraumbeschaffung.
»Fuldaer Volkszeitung« vom 1. August 1939.
Entnazifizierung
In den ersten Wochen nach der Besetzung Fuldas beließ die Besatzungsmacht das vorhandene Personal noch in den Betrieben und Behörden, um die Geschäfte am Laufen zu halten. Doch ab Juni 1945 wurde eine rigide „Entnazifizierung“ betrieben, die zur Entlassung vieler Beschäftigter führte.
Allein bei der Stadt Fulda wurden bis Ende September 1945 113 Bedienstete entlassen, darunter allein 32 Lehrer.
Prominentestes Opfer der „Entnazifizierung“ war der 1930 noch frei gewählte Oberbürgermeister Dr. Franz Danzebrink, der am 25. Juni 1945 aus seinem Amt entfernt wurde.
„Alles für unser liebes Fulda“
Unter dem Motto „Alles für unser liebes Fulda sei die Parole!“ appellierte Oberbürgermeister Erich Schmidt im Juli 1945 an die Verantwortung jedes Einzelnen beim Wiederaufbau der Stadt. Als Ziel nannte er den Wunsch, möglichst bald „in die große Familie der Völker zurückkehren zu können“.
Trotz aller Spannungen mit der Militärregierung in der ersten Phase des Wiederaufbaus gelang es Schmidt sehr bald, sich Respekt zu verschaffen und ein Vertrauensverhältnis zur Militärregierung aufzubauen.
Fuldaer Nachrichtenblatt vom 11. Juli 1945.
Gegen den Geist des Nazismus – Reeducation
Ein wichtiges Ziel der Alliierten war es, dass von Deutschland nie wieder eine Gefahr für die Welt ausgehen dürfe. Dazu sollte der Geist des Militarismus und des Nazismus im Rahmen einer „Umerziehung“ (Reeducation) möglichst ausgerottet werden.
Im Bereich der Erwachsenenbildung kam den Volkshochschulen eine entscheidende Rolle zu. Zusammen mit dem 1948 begründeten „Amerika-Haus“ brachte sie durch Kulturveranstaltungen den Fuldaern die westliche Kultur nahe.
Das Amerika-Haus im Bereich des heutigen Kaufhauses KARL in der Rabanusstraße, 1949.
Displaced Persons
Fulda musste nach dem Krieg nicht nur die Angehörigen der Besatzungsmacht sowie Geflüchtete und Vertriebene aus den Ostgebieten aufnehmen. In der Stadt sammelten sich auch entwurzelte Menschen („Displaced persons“). Es handelte sich dabei oft um verschleppte Zwangsarbeiter, aber auch jüdische Personen, die den Holocaust überlebt hatten.
Im September 1946 gab es in Fulda über 2.800 „Displaced Persons“, darunter 150 jüdische Personen, um die sich eine städtische Betreuungsstelle kümmerte.
Der Leiter der städtischen Betreuungsstelle Max Gerson war als Fuldaer Jude, der das KZ Dachau überlebte, selbst ein Verfolgter des NS-Regimes.
Fulda als Zufluchtsort für Überlebende des Holocaust
Die jüdische Gemeinde Fulda, die 1933 noch etwa 1.100 Mitglieder zählte, erlosch mit der Deportation der letzten hier lebenden Juden am 5. September 1942. Die Synagoge war niedergebrannt worden und der alte jüdische Friedhof in der Rabanusstraße der Gemeinde weggenommen und anderweitig genutzt worden.
Unmittelbar nach Kriegsende kamen wieder Juden nach Fulda, die den Holocaust überlebt und die das Schicksal hierher verschlagen hatte. Die wenigsten stammten aus Osthessen.
Auszug aus einer Liste mit den Mitgliedern der jüdischen Gemeinde 1906. Nur ein kleiner Teil stammte aus Fulda.
Aufbau der Demokratie „von unten“
Ziel der Besatzungsmacht war es, den Deutschen politische Rechte schrittweise von unten nach oben zu gewähren. Als erstes Mitwirkungsgremium wurde am 12. September 1945 ein aus 12 Personen bestehender Bürgerausschuss ins Leben gerufen. Dieser sollte bei der Militärregierung die Wünsche der Bevölkerung zu Gehör bringen.
Bereits am 15. November 1945 wurde das Gremium wieder aufgelöst. An seine Stelle trat ein von der Militärregierung ernannter Bürgerrat, dem 16 Ehrenamtliche angehörten.
Die Militärregierung bestätigt die Mitglieder des Bürgerrats.
„Nie wieder Faschismus“
Nachdem die politischen Parteien auf kommunaler Ebene eine Zulassung bekommen hatten, traten am 19. November 1945 die vier in Stadt und Landkreis Fulda vertretenen Parteien, nämlich CDU, SPD, LDP und die KPD, mit einer Resolution an die Öffentlichkeit. Darin proklamierten sie den Zusammenschluss aller vier Parteien zu einer „antifaschistischen Einheitsfront“.
Nie mehr in der Fuldaer Nachkriegsgeschichte standen sich die sonst so gegensätzlichen politischen Richtungen so nahe wie damals.
Bericht über die antifaschistische Proklamation in der Fuldaer Volkszeitung vom 24. November 1945.
Schule und Kultur
Den Schulen kam bei der „Umerziehung“ eine große Bedeutung zu. Die Grundlagen der Demokratie sollten nur von jenen vermittelt werden, die politisch unbelastet waren. Die Direktoren wurden angewiesen, allen Lehrkräften Themen zu verbieten, die den Militarismus und den Nationalismus verherrlichten.
Relativ schnell entstand auch wieder ein kulturelles Leben, das von der Volkshochschule und Gastspielkonzerten im Stadtsaal geprägt war.
Ankündigung für ein Konzert im Europa-Kino in der Rabanusstraße.
Die Integration der Vertriebenen
Seit Kriegsende war Fulda das Ziel von Flüchtlingen, die allein oder in kleinen Gruppen eintrafen. Am 22. Februar 1946 kam der erste Massentransport aus dem Sudetenland hier an. Als Auffanglager war in der Rabanusstraße 23 die ehemalige Wahlersche Fabrik hergerichtet worden.
In drei weiteren Zügen wurden im August und September 1946 jeweils 1.200 Personen aus Mährisch-Schönberg, Müglitz und Leitmeritz nach Fulda geleitet. Ihre Einquartierung erfolgte angesichts der allgemeinen Notlage nicht immer reibungslos.
Die „Fuldaer Volkszeitung“ vom 27. Februar 1946 berichtet über den ersten Vertriebenentransport.
Freie Wahlen als Zeichen der Rückkehr zur Demokratie
Am 26. Mai 1946 wählte man in Fulda die erste Stadtverordnetenversammlung nach dem Krieg. Bei einer relativ hohen Wahlbeteiligung von 77% erhielt die CDU 63,8 % der Stimmen, die SPD 22,2 %, die LDP 8,9 % und die KPD 5,1 %. Da die Sperrklausel bei 15 % lag, stellten nur die CDU mit 24 Sitzen und die SPD mit acht Sitzen Vertreter in der Stadtverordnetenversammlung. Diese wählte am 1. August in ihrer konstituierenden Dr. Cuno Raabe zum Oberbürgermeister.
Im Mai 1946 wurde Dr. Cuno Raabe (1888-1971), der im Widerstand gegen das NS-Regime gestanden hatte, zum Oberbürgermeister von Fulda gewählt.